BGH zur mobilen Inbetriebnahme von PV-Anlagen

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​Der BGH ist (nicht nur) in der EEG-Rechtsprechung immer wieder für eine Überraschung gut: Der in der Praxis verbreiteten mobilen Inbetriebnahme von PV-Anlagen hat er nun unter Zurückweisung der bisher herrschenden Auffassung zum PV-Anlagenbegriff eine Absage erteilt. Damit unterliegt die Inbetriebnahme vieler Freiflächen- und großer PV-Dachanlagen neuen rechtlichen Anforderungen, die unter Umständen zu einer Veränderung der Vergütungsansprüche und entsprechenden Rückforderungen von Netzbetreibern führt.

 

Nach der nunmehr veröffentlichten Begründung des BGH-Urteils vom 04. November 2015 (Az.: VIII ZR 244/14 ) hat der BGH zwar wie erwartet einer sog. „mobilen” Inbetriebnahme eine Absage erteilt. Im streitigen Fall hatte der Anlagenbetreiber die Inbetriebnahme auf eine Glühlampentest der Module in einer Lagerhalle gestützt. Die Montage an dem endgültigen Betriebsstandort der Freiflächenanlage erfolgte dagegen erst einige Monate später nach dem Stichtag für die Vergütungsverschlechterung durch das EEG 2012.
  
Überraschenderweise hat der BGH sich aber nicht der Argumentation der Vorinstanzen angeschlossen, die die Zurückweisung der Vergütungsansprüche auf eine einschränkende Auslegung des Inbetriebnahmebegriffs des § 3 Nr. 5 EEG 2009 gestützt hatten. Hierfür hatte insbesondere die Novellierung durch § 3 Nr. 5 EEG 2012 gesprochen. Seit dieser Gesetzesfassung setzt der Inbetriebnahmebegriff voraus, dass die EEG-Anlage fest an dem für den dauerhaften Betrieb vorgesehenen Ort installiert wurde.
  
Der BGH hat dagegen nunmehr auf sein umstrittenes Urteil zum sog. „weiten Anlagenbegriff” für Biogasanlagen (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2013 – VIII ZR 262/12 –) Bezug genommen und entgegen der ganz herrschenden Meinung in der Literatur, unterinstanzlichen Rechtsprechung und Clearingstellen-Entscheidungspraxis festgestellt, dass nicht das einzelne, zum Einbau in ein Solarkraftwerk bestimmte Fotovoltaikmodul als eine eigene EEG-Anlage anzusehen ist, sondern erst die Gesamtheit der Module die EEG-Anlage „Solarkraftwerk” bildet.
  
Damit ist es dem BGH nicht nur gelungen, die Anforderungen für PV-Anlagen über die bisherige Gesetzesentwicklung und Rechtsprechung hinaus zu verschärfen. Wie bei den Biogasanlagen führt der neue weite Anlagebegriff für PV-Anlagen zu verschiedenen ungelösten Folgeproblemen beim Zubau von Anlagen. Liegt auch bei späterem Zubau von Modulen eine einheitliche Anlage vor, sind die Auswirkungen auf die anwendbare Vergütungsnorm, Degressionsvorschrift und Förderdauer fraglich. Insofern wird das Urteil neben finanziellen Auswirkungen auf neu zu bewertenden Inbetriebnahmesachverhalte der Vergangenheit zu erheblicher Rechts- und Investitionsunsicherheiten führen und stellt das Konzept der Clearingstellen-Verfahren einer sachorientierten Lösungsfindung auf hohem juristischem Niveau erneut in Frage.  Unternehmen werden deshalb wiederum den Rechtsweg suchen müssen, um das Versagen des Gesetzgebers bei der Klärung der seit längerem drängenden Folgenfragen durch möglichst schnelle höchstrichterliche Entscheidungen zu kompensieren. Möge der BGH dabei in Zukunft berücksichtigen, dass mit derartigen Überraschungs-Coups weder der Wirtschaft noch der Energieumweltpolitik gedient ist. Damit geht es letztendlich auch darum, wie mit einer vorhersehbaren und konsistenten Rechtsprechung  das Vertrauen in das Rechtssystem sichergestellt werden kann.

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Joachim Held

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