Kartellrecht durch Anschluss und Benutzungszwang ausgehebelt?

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​Mit einer aktuellen Entscheidung des OLG Düsseldorf spricht viel dafür, dass einer kartellrechtlichen Kontrolle von Wasserentgelten schon mit einem Anschluss- und Benutzungszwang der Boden entzogen ist – unabhängig von Rechtsform des Versorgers und Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses. Es bleibt interessant, wie die Rechtsprechung diese Zusammenhänge weiter einordnen wird.
  
Die Zuständigkeit der Kartellbehörden für die Missbrauchsaufsicht bei tatsächlich oder vermeintlich überhöhten Wasserentgelten wird üblicherweise anhand der rechtlichen Ausgestaltung von Versorgungsunternehmen und Benutzungsverhältnis zum Abnehmer festgemacht: Ist das Versorgungsunternehmen öffentlich-rechtlich organisiert (Regie- oder Eigenbetrieb, Anstalt öffentlichen Rechts/Kommunalunternehmen oder Wasser- bzw. Zweckverband) und rechnet es auf Basis öffentlich-rechtlicher Gebühren und Beiträge ab, so unterliegen die Entgelte der Kontrolle durch die Kommunalaufsicht. Ist demgegenüber der Versorger privatrechtlich organisiert (insbesondere GmbH oder AG) und das Benutzungsverhältnis zum Verbraucher mit Versorgungsbedingungen und Preisen privatrechtlich ausgestaltet, so greift hinsichtlich der Wasserpreise die staatliche Kartellaufsicht ein, die grundsätzlich durch die Landeskartellbehörden wahrgenommen wird. Dabei wirft die Frage nach Mischformen keine Probleme auf: Privatrechtliche Versorger, die Gebühren und Beiträge erheben, kann es schon nicht geben und Unternehmen in öffentlich- rechtlicher Rechtsform, die privatrechtliche Wasserpreise erheben, werden wie privatrechtliche Unternehmen behandelt, d.h., diese unterliegen ebenfalls der Kartellaufsicht. Zwar wird in der kartellrechtlichen Literatur durchaus vertreten, dass die Anwendung des Kartellrechts nicht (!) dadurch ausgeschlossen ist, dass ein öffentlich rechtlich organisiertes Unternehmen auf Basis öffentlich-rechtlicher Entgelte abrechnet. Allerdings hält sich die bekannte Kontrollpraxis der Kartellbehörden bislang an die eingangs erläuterte Abgrenzung. Denn bisher richteten und richten sich Missbrauchsverfahren ausschließlich gegen Unternehmen, die auf Basis privatrechtlicher Wasserpreise abrechnen.
  
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 8. Dezember 2010
Das Bundeskartellamt erließ im Rahmen eines Missbrauchsverfahrens gegen die Berliner Wasserbetriebe AöR – deren Leistungsbeziehungen zu den Abnehmern privatrechtlich ausgestaltet sind – Auskunftsverfügungen (Auskunftsbeschlüsse gem. § 59 Abs. 1 Nr. 1 GWB) gegen 45 Trinkwasserversorger, um Informationen über Entgelte, Kosten und Erlöse in möglichen Vergleichsgebieten zu erlangen. Zu den Empfängern dieser Auskunftsbeschlüsse zählte auch ein brandenburgischer Wasser- und Abwasserzweckverband, dessen Wasserversorgungssatzung Gebühren und einen Anschluss- und Benutzungszwang festlegt. Dieser Verband legte gegen den Auskunftsbeschluss Beschwerde ein und verfolgte vor dem OLG Düsseldorf die Herstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde. Argument des Verbands: Angesichts der hoheitlichen Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses zum Abnehmer sei er schon kein Unternehmen im Sinne des GWB, sodass er auch nicht Adressat einer kartellrechtlichen Auskunftsverfügung sein könne.
   
Das OLG Düsseldorf folgte dieser Argumentation und äußerte ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Auskunftsbeschlusses: Die Anwendbarkeit des GWB setze potenzielle Wettbewerbsbeziehungen zu Dritten voraus. Das sei dann nicht der Fall, wenn der Wasserversorger die Verbraucher aufgrund öffentlich-rechtlicher Rechtsbeziehungen auf der Grundlage eines Anschluss- und Benutzungszwangs mit Trinkwasser versorgt. In diesem Fall werde der Versorger nicht nur auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tätig, sondern schließe durch die mit dem Anschluss- und Benutzungszwang erreichte rechtlich-zulässige Monopolisierung – mit dem Zwang können die Abnehmer auch schon nicht auf einen theoretisch zur Verfügung stehenden Alternativ-Lieferanten zurückgreifen - jedweden Wettbewerb Dritter von vornherein aus. Der Verband sei damit im Ergebnis kein Unternehmen im Sinne des GWB.
  

Entscheidung OLG Düsseldorf noch nicht endgültig

Zu beachten ist, dass mit der Entscheidung des OLG Düsseldorf gleich in mehrfacher Hinsicht noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Zunächst ist es nur eine Einzelfallentscheidung für einen Versorger, der die Abrechnung öffentlich-rechtlich ausgestaltet hat. Zugleich ist mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der vom Verband eingelegten Beschwerde die Entscheidung über die eigentliche Hauptsache, eben die Beschwerde gegen den Auskunftsbeschluss, noch nicht getroffen. Und schließlich hat das OLG Düsseldorf wegen der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung der Fragen auch die Rechtsbeschwerde gegen die eigene Entscheidung – die Anordnung der aufschiebenden Wirkung – zugelassen, die das Bundeskartellamt auch eingelegt hat. Bleibt aber die vom OLG Düsseldorf getroffene Entscheidung im weiteren Verfahrensgang bestehen, so steht jedenfalls für öffentlich-rechtlich abrechnende Versorger, für die ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, endgültig fest, dass diese keine Unternehmen im Sinne des GWB sind. Ein Anschluss- und Benutzungszwang kann bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen – die Darlegung würde hier zu weit greifen – aber auch zugunsten privatrechtlich organisierter Unternehmen festgelegt werden, selbst dann, wenn diese nicht im Eigentum der öffentlichen Hand stehen. Da auch in dieser Konstellation dem Abnehmer mit dem Anschluss- und Benutzungszwang keine Alternative für den Versorger zukommt, ist damit auch in dieser Konstellation jedweder Wettbewerb Dritter an sich von vornherein ausgeschlossen. Als notwendige Schlussfolgerung könnte nur bleiben, dass auch privatrechtlich organisierte Versorger, für deren Wasserversorgung ein Anschluss- und Benutzungszwang festgelegt ist, keine Unternehmen im Sinne des GWB sind. Es bleibt damit interessant, auf welche Argumente Kartellbehörden und Rechtsprechung stützen wollen, dass das GWB gleichwohl angewendet werden könne.
 
Über die Entscheidung des BGH zur Rechtsbeschwerde des Bundeskartellamts werden wir Sie auf dem Laufenden halten. für Verwaltungsgebäude, Schulen, Bauhof usw. bei ihren eigenen Stadt- bzw. Gemeindewerken, ohne hierfür eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen. Dies ist dann möglich, wenn ein sog. Inhouse-Geschäft zwischen der Kommune und dem Stadt- bzw. Gemeindewerk vorliegt.
  
Ein vergaberechtsfreier Vertragsabschluss im Wege eines Inhouse- Geschäftes erfordert zwei Voraussetzungen: Zum einen muss der öffentliche Auftraggeber über den Auftragnehmer eine Kontrolle ausüben wie über eine eigene Dienststelle. Zum anderen ist Voraussetzung, dass der Auftragnehmer seine Tätigkeit im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber erbringt.
  
Das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg hat hierzu am 14. Dezember 2010 (Az.: 1 Verg 5/10) eine praxisbedeutsame und weitreichende Entscheidung zu den Voraussetzungen eines vergaberechtsfreien Inhouse-Geschäftes getroffen. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hat sich ein privatwirtschaftliches Energieversorgungsunternehmen mit Erfolg gegen die (ausschreibungsfreie) Direktvergabe energiewirtschaftlicher Leistungen an einen kommunalen Energieversorger durch eine indirekt, aber allein beteiligte Gebietskörperschaft gewandt.
  
Die Erfüllung des Merkmals „Tätigkeit im Wesentlichen” wurde von den Hamburger Richtern in dem streitgegenständlichen Sachverhalt verneint. Denn das Wesentlichkeitskriterium ist nur dann erfüllt, wenn das auftragnehmende Unternehmen hauptsächlich für den öffentlichen Auftraggeber tätig wird und jede andere Tätigkeit rein nebensächlich ist. Ausschlaggebend ist dabei der Umsatz, der mit dem öffentlichen Auftraggeber erzielt wird. So hat bspw. der Europäische Gerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 für das Wesentlichkeitskriterium genügen lassen, wenn die Tätigkeit zu mindestens 90 Prozent für den öffentlichen Auftraggeber erbracht wird.
 
Umsätze aber, die ein Auftragnehmer mit Privatkunden (z.B. im Bereich der Elektrizitätsversorgung) erwirtschaftet, sind den Umsätzen aus Rechtsbeziehungen mit dem öffentlichen Auftraggeber nicht hinzuzuaddieren. Dies gilt insbesondere für Umsätze mit im Hoheitsgebiet des öffentlichen Auftraggebers ansässigen Privatkunden. Solche Umsätze sind demzufolge nicht hinzuzurechnen. Die Privatkunden sind im Verhältnis zum öffentlichen Auftraggeber Dritte. Sie sind ebenso wie die Vergabestelle selbst Auftraggeber des auftragnehmenden Unternehmens (z.B. Stadtwerk). Dem öffentlichen Auftraggeber können nur solche Umsätze zugerechnet werden, deren Erzielung er auch selbst herbeigeführt hat. Erforderlich ist also stets ein Kausalzusammenhang zwischen der Rechtsbeziehung und dem Umsatz.

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Peter Lindt

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