Immobilienkredit: Droht der Gesetzgeber den „Widerrufsjoker” zu kippen?

PrintMailRate-it

​Zumeist unter dem Schlagwort „Widerrufsjoker” wurde in letzter Zeit das Widerrufsrecht von Verbrauchern hinsichtlich ihrer im maßgeblichen Zeitraum zwischen 2002 bis 2010 abgeschlossenen Darlehensverträge diskutiert. Nach derzeitig noch geltender Rechtslage beginnt das von dem Verbraucher grundsätzlich binnen 2 Wochen auszuübende Widerrufsrecht erst, nachdem dieser eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erhalten hat. Dies ist nach Auskunft diverser Verbraucherzentralen im vorbenannten Zeitraum bei etwa 4 von 5 Verträgen nicht der Fall, da die Belehrungen fehlerhaft erteilt wurden, wodurch die Widerrufsfrist gar nicht erst zu laufen begonnen hat. Daher ist häufig von dem sog. „ewigen Widerrufsrecht” die Rede. Dieses wird von betroffenen Verbrauchern gerne dazu genutzt, sich von unliebsamen, weil teuren Altkrediten zu lösen, ohne dass die ansonsten fällig werdende Vorfälligkeitsentschädigung anfiele. Vielmehr können Verbraucher dabei teilweise sogar noch für die Vergangenheit nicht unerhebliche Rückzahlungen erzielen.
 

Der aktuelle Gesetzesentwurf zur Wohnimmobilienkreditrichtlinie

Diesem „ewigen Widerrufsrecht” will der Gesetzgeber nun offenbar einen Riegel vorschieben. Die derzeitige Fassung des Gesetzesentwurfes zur Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie sieht u.a. in der Neufassung des § 356b Abs. 2 S. 4 BGB vor, dass das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen spätestens 1 Jahr und 2 Wochen nach dem jeweiligen Vertragsschluss erlöschen soll. Nach dem bisherigen Diskussionsstand zu dem laufenden Gesetzgebungsverfahren wurde eine Anwendbarkeit dieser absoluten Erlöschensregelung auch auf die hier in Rede stehenden Altfälle, also auf vor Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes am 31. März 2016 abgeschlossene Verbraucherdarlehensverträge, überwiegend befürwortet. Die Ausschussempfehlungen an den Bundesrat vom 15. September 2015 sahen dazu ausdrücklich vor, dass die Erlöschensregelung auch Altfälle mit erfassen solle. Aus Gründen der Rechtssicherheit solle dabei eine Übergangsvorschrift eingeführt werden, die das Widerrufsrecht für Altfälle auf maximal 2 Jahre und 2 Wochen nach Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes befristet. Dass der Gesetzgeber hiernach den „Widerrufsjoker” zu beerdigen beabsichtigte, war bereits absehbar. Lediglich wie lange hier betroffene Verbraucher das ihnen wegen einer von den Banken fehlerhaft erteilten Widerrufsbelehrung nach wie vor zustehende Widerrufsrecht wohl noch ausüben können, war bislang ungeklärt.
 

Gestern (am 14. Oktober 2015) hat der Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz in einer öffentlichen Anhörung in Berlin den aktuellen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie beraten. Die insgesamt sieben Sachverständigen, die an der gestrigen Anhörung teilgenommen haben, ließen in ihren bereits vorab veröffentlichen Stellungnahmen zu dem Kippen des „ewigen Widerrufsrecht” eher geteilte Meinungen durchblicken. Teilweise wurde die Ausweitung der Erlöschensregelung auch auf die vorbenannten Altfälle zwar wegen der damit einhergehenden Rechtssicherheit begrüßt, andere Stimmen lehnten diese jedoch schlicht als unnötig ab, da die Banken wegen der ihnen eröffneten Möglichkeit, den betroffenen Verbrauchern Nachbelehrung zu erteilen, die ansonsten drohende Rechtsunsicherheit jederzeit selbst beseitigen könnten. Zudem hätten die Banken diese Rechtssicherheit aufgrund der von ihnen erteilten fehlerhaften Belehrungen ursprünglich selbst geschaffen.
 

Folgen einer Nachbelehrung

Im Falle einer solchen Nachbelehrung beginnt die gesetzlich vorgesehene 2-wöchige Widerrufsfrist stets von neuem, sodass den betroffenen Verbrauchern dadurch ein gesetzliches Lösungsrecht hinsichtlich ihrer Altverträge zustehen würde. Das wollen die Banken jedoch offensichtlich tunlichst vermeiden und argumentieren mit der von ihnen offiziell eingeforderten Rechtssicherheit. Tatsächlich dürften die Banken hier jedoch vielmehr nach Rechtsbindung streben, wollen also jegliches Lösungsrecht der betroffenen Verbraucher nach Möglichkeit umgehen, wofür wohl kaum ein schutzwürdiges Interesse bestehen dürfte.
 

Bewertung des Widerrufs von Darlehensverträgen

Auch bisher wurden in der Rechtsprechung und Literatur die Voraussetzungen der Widerruflichkeit von zwischen 2002 und 2010 abgeschlossenen Verbraucherdarlehensverträgen sowie die sich daraus ergebenden materiell-rechtlichen und prozessualen Folgen bereits sehr unterschiedlich bewertet und sind teilweise sogar höchst umstritten. Bevor der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch die Vielzahl der nach wie vor ungeklärten Rechtsfragen, die sich um diese Thematik ranken, abschließend klären können wird, werden die betroffenen – ohnehin bereits verwirrten – Verbraucher nun vom Gesetzgeber mit der angedachten Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie auch noch zusätzlich zur Eile gedrängt. Bedenkt man, dass viele der seinerzeit fehlerhaft erteilten Widerrufsbelehrungen v.a. auch deshalb fehlerhaft sein dürften, weil die Banken ihre Widerrufsbelehrungen häufig in Anlehnung an die vom Gesetzgeber geschaffene, jedoch ihrerseits fehlerhafte damalige Musterwiderrufsbelehrung gestaltet haben, so erscheint es schlicht nicht sachgerecht, dieses gesetzgeberische Verschulden nun abermals auf die betroffenen Verbraucher abzuwälzen.
 

Fazit

Ob der Gesetzgeber das „ewige Widerrufsrecht” nun tatsächlich kippen wird, bleibt abzuwarten, erscheint aber durchaus nicht unwahrscheinlich. Über die dann entscheidende Frage, bis wann genau betroffene Verbraucher von dem ihnen zustehenden Widerrufsrecht noch Gebrauch machen können werden, kann bislang nur spekuliert werden. In dem bis dato ohnehin sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht komplexen Bereich des Widerrufs von Verbraucherdarlehensverträgen, der für die betroffenen Verbraucher ganz erhebliche finanzielle Vorteile, bei falscher Vorgehensweise jedoch mitunter auch nicht zu vernachlässigende Risiken in sich birgt, ist ob der nunmehr drohenden Eilbedürftigkeit einmal mehr die rechtzeitige sowie kompetente Rechtsberatung dringend zu empfehlen. 
 

zuletzt aktualisiert am 22.10.2015

Kontakt

Contact Person Picture

Harald Reitze, LL.M.

Rechtsanwalt, Attorney at Law (New York)

Partner

+49 911 9193 1325

Anfrage senden

Profil

Wir beraten Sie gern!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu