Sprinterklauseln (Turboklauseln): Bei Ausübung gilt strenger Formzwang!

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von Charlotte Arnold

zuletzt aktualisiert am 4. Mai 2016

 

In Abwicklungs- oder Aufhebungsverträgen werden häufig Regelungen getroffen, die dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnen, noch vor tatsächlicher bzw. vereinbarter Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zu erklären. Bei derartigen Vereinbarungen in Abwicklungsverträgen handelt es sich um sog. Sprinter- oder Turboklauseln.
 
Wichtig ist beim tatsächlichen Vollzug dieser Klauseln, dass die Erklärung über die vorzeitige Beendigung gemäß § 623 BGB zwingend der Schriftform des § 126 BGB bedarf, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) kürzlich entschieden hat (Urt. v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14). Die Nichteinhaltung dieses Formerfordernisses führt dann geradewegs zur Nichtigkeit der erklärten vorzeitigen „Kündigung” des Arbeitsverhältnisses. Das kann nicht nur für den Erklärenden – den Arbeitnehmer – sondern auch für den Arbeitgeber zu unangenehmen Nachteilen führen.
 

Was war Inhalt des Rechtsstreits?

Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin ordentlich zum Ablauf des 28. Februar 2014. In dem sich anschließenden Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund der streitgegenständlichen Kündigung tatsächlich mit Ablauf des 28. Februar 2014 endet und die Arbeitnehmerin ab November 2013 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung ihres Gehalts freigestellt werden sollte. Gleichzeitig wurde der Arbeitnehmerin das Recht zum vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis (also vor Ablauf des 28. Februar 2014) gegen Zahlung einer Abfindung eingeräumt. Nach der Vereinbarung in dem geschlossenen Vergleich war die Arbeitnehmerin dazu verpflichtet, ihr vorzeitiges Ausscheiden mit einer Ankündigungsfrist von 3 Tagen schriftlich gegenüber der Arbeitgeberin zu erklären.
 
Mitte November 2013 zeigte die Arbeitnehmerin dann tatsächlich ihr Ausscheiden zum 30. November 2013 an, da diese eine andere Arbeitsstelle gefunden hatte. Das Schreiben mit der vorgenannten Mitteilung wurde der Gegenseite per Telefax übermittelt. Das Original wurde indes nicht übersandt. Im Anschluss hieran kam es erneut zu Streitigkeiten über den tatsächlichen Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses.
 
Das Arbeitsgericht war der Auffassung, dass es sich bei dem Schreiben der Arbeitnehmerin um eine Kündigung gehandelt habe, die das Schriftformerfordernis des § 623 BGB missachtet habe. Die 2. Instanz hingegen, das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg, sah in der Erklärung über das vorzeitige Ausscheiden eine „Modifikation” der innerhalb des Vergleichs getroffenen Vereinbarung, die keinem Formzwang unterliege. Das BAG folgte der Meinung des LAG allerdings nicht.
 

Wie begründet das Bundesarbeitsgericht seine Entscheidung?

Der in dem hiesigen Verfahren geschlossene gerichtliche Vergleich war der Sache nach ein Abwicklungsvertrag, da er lediglich die Abwicklungsmodalitäten der vorausgegangenen Kündigung regelte. In diesem wurde der Arbeitnehmerin das Recht eingeräumt, sich noch vor dem eigentlichen Beendigungsdatum unter Inanspruchnahme einer Abfindung von dem Arbeitsverhältnis loszusagen. Nach Auffassung des BAG gewähren solche Sprinterklauseln (auch Turboklauseln genannt), die ein vorzeitiges Lossagungsrecht beinhalten, ein nach § 12 KSchG vergleichbares Sonderkündigungsrecht. Dabei machte das Gericht deutlich, dass die Anzeige der vorzeitigen Lossagung eine einseitige Willenserklärung sei, die auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Termin gerichtet ist. Mit der Abgabe dieser Willenserklärung werde eine Kündigung und gerade keine „Modifikation” einer zuvor vertraglich geschlossenen Vereinbarung erklärt.
 
Die Ausübung des Sonderkündigungsrechts unterfällt jedoch – wie jede Kündigung – dem zwingenden Schriftformerfordernis des § 623 BGB, wie das BAG unmissverständlich klarstellt. Hierzu muss gemäß § 126 BGB das relevante Schriftstück eigenhändig vom Aussteller unterschrieben werden und dem Erklärungsempfänger im Original zugehen. Die in dem hiesigen Verfahren mittels des Telefaxschreibens übermittelte Kündigungserklärung entsprach nach Auffassung des BAG aber nicht den Anforderungen des § 623 i.V.m. § 126 BGB, da die von dem Empfangs-Faxgerät hergestellte Kopie lediglich die Ablichtung der Originalunterschrift wiedergebe. Die Kündigung war daher gemäß § 125 S. 1 BGB nichtig.
 

Was bedeutet das für die Praxis?

In der Praxis werden immer häufiger sog. Sprinterklauseln in gerichtlichen Vergleichen, Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen verwendet. Um sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber eine Rechtssicherheit für die Beendigung und Abwicklung des Arbeitsverhältnisses zu schaffen, ist folglich ein wirksamer Vollzug der Sprinterklausel in diesem Zusammenhang essenziell.
 
Arbeitnehmer, die von ihrem Sonderkündigungsrecht im Rahmen einer Sprinterklausel Gebrauch machen wollen, sollten daher darauf achten, dass ihre Erklärung über die vorzeitige Beendigung die gesetzliche Schriftform einhält. Nur wenn die Schriftform gewahrt ist, ist eine rechtswirksame (vorzeitige) Loslösung von dem bestehenden Arbeitsverhältnis möglich. Und dies kann speziell in den Fällen, in denen bereits eine neue Arbeitsstelle vorhanden ist, von besonderer Bedeutung sein.
 
Aber auch für den Arbeitgeber ist die Einhaltung der Schriftform, insbesondere hinsichtlich des wirtschaftlichen Gesichtspunktes, relevant. Durch das vorzeitige Ausscheiden muss zwar – je nach Vereinbarung – das noch zu zahlende Arbeitsentgelt als Abfindung an den Arbeitnehmer gezahlt werden. Der Arbeitgeber spart sich jedoch üblicherweise die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung. Und das kann – je nach Einzelfall – eine beträchtliche Summe sein.
 
Relevant kann die Frage der wirksamen vorzeitigen Beendigung darüber hinaus dann werden, wenn der Arbeitgeber nach Vergleichsschluss, aus welchen Gründen auch immer, doch an dem ursprünglichen Beendigungsdatum festhalten will. Derartige Arbeitgeberinteressen können insbesondere im Zusammenhang mit dem Fortbestehen eines vertraglichen Wettbewerbsverbots Bedeutung haben. Je nach Einzelfall können hier ggf. sogar Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers in Betracht kommen. Die Prüfung, ob der Arbeitnehmer sein Sonderkündigungsrecht wirksam ausgeübt hat, lohnt daher bei jeder Interessenlage.  

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