BFH: Erbengemeinschaft als selbständiger Rechtsträger im Grunderwerbsteuerrecht

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Im heute veröffentlichten Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass eine Erbengemeinschaft ein selbständiger Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts darstellen kann (BFH-Urteil vom 12. Februar 2014, Az. II R 46/12). Des Weiteren hat der BFH ausgeführt, wann der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt ist.
 
Die Klägerin ist eine aus zwei Erben bestehende Erbengemeinschaft nach dem am 24. August 2007 verstorbenen K. Der Erblasser K hielt zu seinem Todeszeitpunkt 85 Prozent der Anteile an einer GmbH. Die übrigen 15 Prozent der Anteile besaß zu diesem Zeitpunkt P. Der GmbH gehörte umfangreicher Grundbesitz. K hatte einen Bevollmächtigten, die Vollmacht bestand auch nach dem Tod weiter.
 
Am 10. September 2007 beschloss die Gesellschafterversammlung eine Kapitalerhöhung, an der die Gesellschafter im Verhältnis ihrer bisherigen Anteile zur Übernahme zugelassen waren. Falls ein Gesellschafter die Übernahme seines Anteils an der Kapitalerhöhung innerhalb einer bestimmten Frist nicht erklärte, sollte der andere Gesellschafter zur Übernahme der Anteile berechtigt sein.
 
Am 24. September 2007 erklärte der Bevollmächtigte des K, die Übernahme der auf K entfallenden Anteile aus der Kapitalerhöhung. Am 18. Oktober 2007 erklärte der Bevollmächtigte auch die Übernahme des Anteils des P, nachdem P innerhalb der Frist keine Übernahmeerklärung abgegeben hatte. Nach der Kapitalerhöhung entfiel auf die Erbengemeinschaft nach K 97 Prozent der Anteile an der GmbH und auf P die restlichen 3 Prozent. Am 27. Februar 2008 übertrug P seine Anteile an die Erbengemeinschaft.
 
Das zuständige Finanzamt vertrat die Ansicht, dass durch die Kapitalerhöhung am 10. September 2007 ein Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr.1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) vorliege. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer unter anderem ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrere Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar und mittelbar mindestens 95 Prozent der Anteile der Gesellschaft in der Hand eines Erwerbers vereinigt werden. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt als habe er das Grundstück von der Gesellschaft erworben.
 
Das Finanzamt erließ daraufhin einen Steuerbescheid und führte die Kapitalerhöhung am 10. September 2007 als besteuerten Sachverhalt auf. Später änderte das Finanzamt den Steuerbescheid und führte die Vereinigung aller Anteile zum 27. Februar 2008 als zu besteuernden Sachverhalt auf.
 
Nach erfolglosem Einspruch und Klage beim Finanzgericht wandte sich die Erbengemeinschaft an den BFH. Nach Meinung der Erbengemeinschaft, müsse für die Frage, wer Erwerber im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr.1 des GrEStG sei, darauf abgestellt werden, wer in bürgerlich-rechtlichem Sinne Rechtsträger der Anteile sei. Nach dem Tod des K habe nicht die Erbengemeinschaft die Anteile geerbt, sondern die einzelnen Erben. Eine Erbengemeinschaft sei keine durch einen gemeinsamen Zweck verbundenen, sondern eine auf Auflösung gerichtete Gesellschaft. Die Anteile der Erbengemeinschaft an der GmbH müssten auf die Erben aufgeteilt werden. Jedem einzelnen Erben seien demnach zu keinem Zeitpunkt mehr als 95 Prozent der Anteile an der GmbH zuzurechnen.
 
Dazu führte der BFH aus, dass eine Erbengemeinschaft ein selbständiger Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts sei. Die Erbengemeinschaft sei zwar nicht auf Dauer angelegt, jedoch folge die grunderwerbsteuerrechtliche Selbstständigkeit der Erbengemeinschaft nach außen deren bürgerlich-rechtlicher Selbstständigkeit als Zurechnungssubjekt des gesamthänderisch gebundenen Sondervermögens. Auch wenn jeder Miterbe jederzeit die Auseinandersetzung verlangen kann, sind die Miterben während des Bestehens der Erbengemeinschaft zum gemeinsamen Handeln verpflichtet. Nichts anderes gelte für die Vorschrift § 1 Abs. 3 Nr.1 GrEStG. Im Ergebnis könne nach dem BFH eine Erbengemeinschaft somit eine Anteilsvereinigung von mindestens 95 Prozent erreichen, so dass im vorliegenden Fall ein Fall des § 1 Abs. 3 Nr.1 GrEStG vorläge.
 
In diesem Fall benannte das Finanzamt im ursprünglichen Grunderwerbsteuerbescheid und im geänderten Bescheid die falschen Rechtsgeschäfte. Mit der Erklärung vom 18. Oktober 2007, also der Übernahme der Anteile aus der Kapitalerhöhung von P, überschritt die Erbengemeinschaft erstmals die 95 Prozent-Beteiligungsgrenze. Damit unterläge dieses Rechtsgeschäft der Besteuerung mit Grunderwerbsteuer. Bei den vorherigen Rechtsgeschäften wurde die 95 Prozent-Beteiligungsgrenze nicht durchbrochen, bei dem Erwerb des restlichen 3 Prozent-Anteils des P hatte die Erbengemeinschaft die 95 Prozent-Beteiligungsgrenze bereits durch das vorherige Rechtsgeschäft überschritten.
 
Im Ergebnis wollte das Finanzamt die falschen Rechtsgeschäfte besteuern. Die angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide nennen jeweils Rechtsgeschäfte, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr.1 GrEStG nicht erfüllen. Daher sind die Steuerbescheide rechtswidrig und damit aufzuheben.
 
Der dargestellte Fall zeigt, dass grundsätzlich bei Erwerbsvorgängen von Anteilen an grundbesitzenden Körperschaften und Personengesellschaften der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr.1 GrEStG umsichtig zu prüfen ist. Dabei sollte auch § 1 Abs. 2a GrEStG beachtet werden, wonach auch ein Wechsel von 95 Prozent aller Gesellschafter einer Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren zur Grunderwerbsteuerpflicht führt.

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Daniel Griep

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