Weisungen an kommunale Aufsichtsratsmitglieder?

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​veröffentlicht am 5. Oktober 2017

 

Ob und unter welchen Voraussetzungen Weisungen an kommunale Aufsichtsratsmitglieder erteilt werden können, wird immer wieder diskutiert. Rechtlich können solche Weisungen durchaus zulässig sein – sinnvoll sind sie damit noch nicht.

 

​Der Rechtsrahmen definiert die Zulässigkeit, …

Auch wenn abhängig von Rechtskleid, Beschäftigtenzahl und gesellschaftsvertraglicher Ausgestaltung Abweichungen möglich sind, bildet der weisungsfreie Aufsichtsrat doch den gesellschaftsrechtliche  „Normalfall”. Demgegenüber enthalten die Kommunalverfassungsgesetze der meisten Flächenbundesländer Klauseln, die entweder bereits eine Weisungsgebundenheit der in Aufsichtsräte kommunaler Beteiligungsgesellschaften entsandten Gemeinderatsmitglieder festlegen oder zumindest die Gemeinden verpflichten, sich in den Gesellschaftsverträgen entsprechende Weisungsrechte vorzubehalten. Stets sind diese Klauseln aber mit Einschränkungen versehen – „soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist” oder entsprechend heißt es dann in den Einschränkungen. Diese Einschränkungen stellen an sich ohne eigenen Regelungsgehalt nur klar, was ohnehin gilt, nämlich dass das bundesrechtliche Gesellschaftsrecht dem landesrechtlichen Kommunalrecht vorgeht (Art. 31 GG).

 

Aus der Konkurrenz der Rechtsgebiete und von gesellschaftsrechtlichem „Normalfall” zu landesrechtlich Gewolltem entwachsen Fragestellungen und Unsicherheiten. Als Gewissheit kann jedoch festgehalten werden, dass Weisungen gegenüber den Mitgliedern eines Aufsichtsrats, der eingerichtet werden musste (sog. obligatorischer AR2), nicht in Betracht kommen. Denn bei ihnen gelten zwingend die §§ 93, 111 Abs. 5, 116 AktG, aus denen der Grundsatz hergeleitet wird, dass AR-Mitglieder allein dem Unternehmensinteresse verpflichtet sind und im Rahmen der ihnen persönlich obliegenden Amtsführung keinen Weisungen unterliegen3. War die Einrichtung des Aufsichtsrats dagegen nicht pflichtig, sondern beruhte auf freiwilliger Entscheidung des oder der Gesellschafter (sog. fakultativer AR), kommt den Gesellschaftern auch weitgehende Freiheit bei der Ausgestaltung des Aufsichtsrats zu. Zwar verweist § 52 Abs. 1 GmbHG für fakultative Aufsichtsräte auch auf die genannten §§ 93, 111, 116 AktG, woraus dann wieder die Weisungsfreiheit folgt. Allerdings sind die Verweisungen des § 52 Abs. 1 GmbHG nicht zwingend. Denn schon in den Wortlaut des § 52 Abs. 1 GmbHG ist aufgenommen: „soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist.” Die Zulässigkeit von Weisungen gegenüber den aus dem Gemeinderat entsandten Mitgliedern eines fakultativen Aufsichtsrats richtet sich damit nach der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags.

 

… Auslegungsfragen sollten aber nicht auf dem Rücken der AR-Mitglieder ausgetragen werden

Kommt § 52 Abs. 1 GmbHG zur Anwendung – weil er im Gesellschaftsvertrag jedenfalls nicht ausdrücklich abbedungen wurde – sind Weisungen nicht zulässig. Denn dann ist im Gesellschaftsvertrag „nicht ein anderes bestimmt”, sodass weiter die Brücke zu den aktienrechtlichen Normen gilt, aus denen die Weisungsfreiheit abgeleitet wird. Demgegenüber sind Weisungen jedenfalls dann zulässig, wenn bei kommunalen Alleinbeteiligungsgesellschaften im Gesellschaftsvertrag § 52 Abs. 1 GmbHG ausdrücklich abbedungen und zugleich das Weisungsrecht bestimmt wurde und sich die Weisung auf eine Gestaltungsentscheidung des Aufsichtsrats – etwa zur Höhe von Tarifen und Entgelten der Gesellschaft – bezieht. Streitig ist dagegen die Zulässigkeit, wenn die Gesellschaft zwei oder mehrere Gesellschafter hat, weil bei den mehrgliedrigen Gesellschaften entsandte Aufsichtsratsmitglieder nicht nur die Interessen „ihres“ Gesellschafters wahrzunehmen haben oder wenn sich die Aufsichtsratsentscheidung, zu der die Weisung erteilt werden soll, auf eine typische Überwachungsaufgabe – etwa zum Risikomanagement der Geschäftsführung – bezieht, weil bei einer „überwachungswidrigen” Weisung kein Aufsichtsrat mehr vorläge. Ist im Gesellschaftsvertrag § 52 Abs. 1 GmbHG zwar abbedungen, aber nicht zugleich das Weisungsrecht festgehalten, ist der Gesellschaftsvertrag „unter Berücksichtigung des normativen Umfelds auszulegen”4 – gemeint: die landesrechtlich gewollte Weisungsbindung zu berücksichtigen und zugleich davon auszugehen, dass die Kommune die (landes- gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Beteiligung an einer Gesellschaft einhalten wollte und will.


Unstreitig gibt es damit Fallgestaltungen, bei denen den entsandten Aufsichtsratsmitgliedern zulässig Weisungen erteilt werden können. Angesichts der Fallgestaltungen, bei denen Weisungen sicher unzulässig oder zumindest streitig sind, ist für die Erteilung von Weisungen aber insgesamt die Sinnfrage aufgeworfen. Denn für kommunale Aufsichtsratsmitglieder, für die mehrheitlich die quasi ehrenamtliche Nebenbei-Amtsführung eher die Regel als die Ausnahme sein dürfte, wird eine Prüfung oder Auslegung, „wo” die empfangene Weisung einzuordnen oder „wie” mit einer dem Unternehmensinteresse widersprechenden Weisung umzugehen ist, kaum leistbar sein. Mit Zweifelsfällen oder gar gerichtlichen Auseinandersetzungen zur Zulässigkeit einer erteilten Weisung ist aber weder den Gesellschaftern oder Aufsichtsräten und schon gar nicht der Gesellschaft selbst gedient. Schon im Interesse der Rechtssicherheit ist es deshalb klüger, wenn der Gemeinderat bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrags für den Aufsichtsrat beim „Normalfall” der Weisungsfreiheit bleibt und diejenigen Entscheidungen, bei denen er im Zweifel doch noch „mitreden” will, nicht dem Aufsichtsrat, sondern der Gesellschafterversammlung zuweist. Denn die Abhängigkeit der gemeindlichen Vertreter in der Gesellschafterversammlung von Beschlüssen des Gemeinderats ist unstreitig. Die dadurch gewonnene Rechtssicherheit kann für Gesellschaft und Organe nur fruchtbar sein.

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Peter Lindt

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