Betriebsstätten – Risiko im internationalen Steuerrecht

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International und national erfährt die steuerliche Thematik der Betriebsstätte derzeit eine erhöhte Aufmerksamkeit. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei grundlegende Fragen: Wann steht einem Staat überhaupt ein Besteuerungsrecht zu, wenn ein Unternehmen grenzübergreifend tätig ist? Und wie ist in diesen Fällen das steuerliche Ergebnis aufzuteilen?
 
Unter dem Eindruck der Diskussion um aggressive Steuerplanung international tätiger Unternehmen und der politischen Aktionspläne zu ihrer Unterbindung hat das Thema das Potenzial, sich in der nahen Zukunft zu einem der größten steuerlichen Risiken für die international tätige deutsche Wirtschaft zu entwickeln. Denn für die Staaten geht es darum, einen angemessenen Anteil am Unternehmenserfolg entsprechend der in ihrem Land erzielten Wertschöpfung als Besteuerungsgrundlage zu erhalten.
 
In den letzten Jahren hat sich die Diskussion in Deutschland in erster Linie auf die korrekte steuerliche Erfassung von Tochtergesellschaften internationaler Unternehmensgruppen konzentriert. Nun gewinnt der Blick auf Unternehmen an Bedeutung, die sich für ihre grenzüberschreitenden Aktivitäten keiner selbstständigen Rechtsform bedienen, sondern als einheitliches Unternehmen auch im jeweiligen Ausland auftreten, hier Leistungen erbringen und dadurch einen Beitrag zum Gesamt-Unternehmenserfolg erwirtschaften.
 

Die Anforderungen an Betriebsstätten sinken  

Mangels rechtlicher Selbstständigkeit liegt ein Schwerpunkt der Diskussion bereits in der Frage, ab wann die wirtschaftlichen Aktivitäten in einem anderen als dem Sitzstaat einen Grad der Organisation erreicht haben, dass sie international als Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung im Tätigkeitsstaat anzuerkennen sind. Dies setzt voraus, dass die Begründung einer Betriebsstätte angenommen wird. Traditionell vertreten Deutschland und die übrigen westlichen Industriestaaten hierzu eine eher restriktive Haltung, die dem Schutz des jeweiligen eigenen Besteuerungspotenzials der international tätigen einheimischen Unternehmen dient. Auf internationaler Ebene zeichnen sich dagegen Tendenzen zu einer Absenkung der Schwellen für die Annahme einer Betriebsstätte ab. Auch die Tätigkeitsstaaten wollen bei der Besteuerung an der Wertschöpfung aus neuen Geschäftsmodellen, Leistungsketten und internationalen Kooperationen in ihren Ländern profitieren, so z.B. bei globalen Handelsstrukturen, Verwertung von geistigem Eigentum (intellectual property, kurz IP) oder internationalen Dienstleistungen. Sichtbarer Ausdruck dieser Entwicklung ist die Ankündigung der OECD, bis September 2015 die Betriebsstättendefinition im OECD-Musterabkommen insbesondere hinsichtlich der sogenannten Vertreterbetriebsstätte zu überarbeiten (OECD (2013), Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting, Aktion 7).
 

Hoher administrativer Aufwand bei den Unternehmen für die Umsetzung

Die an die Qualifikation als Betriebsstätte anschließende zutreffende Gewinnabgrenzung zum Stammhaus ist ebenfalls in einem – schon weiter fortgeschrittenen – Wandel begriffen. Durch die OECD wurde bereits 2010 eine veränderte Vorgehensweise zur Ermittlung von Betriebsstättengewinnen, der sogenannte „Authorized OECD Approach – AOA”, veröffentlicht. Zusätzlich hat der deutsche Gesetzgeber mit dem AmtshilfeRLUmsG 2013 diese Gewinnermittlungsgrundsätze der OECD in deutsches Recht übernommen. Die internationale Umsetzung in den nationalen Rechtssystemen der OECD-Mitgliedsstaaten sowie in den Doppelbesteuerungsabkommen hinkt dagegen noch der Zeit hinterher, mit gravierenden Folgen.
 
Wieder einmal sind international tätige Unternehmen mit neuen gesetzlichen Anforderungen konfrontiert, deren Umsetzung Implementierungszeit und -kosten und einen dauerhaft erhöhten administrativen Aufwand mit sich bringt. Nicht nur Unsicherheiten bei der Anwendung des neuen Rechts bergen steuerliche Risiken für die betroffenen Unternehmen. Es droht sogar die Gefahr der Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen, wenn international unterschiedliche Auslegungen des Betriebsstättenbegriffs sowie der Gewinnermittlungsgrundsätze zur Anwendung kommen.
 

Risikomanagement Betriebsstätten

Unternehmen sind daher jetzt gut beraten, ihre grenzüberschreitenden Aktivitäten unter steuerlichen Gesichtspunkten einer Revision zu unterziehen. Ein umfassendes steuerliches „Risikomanagement Betriebsstätten” wird dabei folgende Aspekte zu berücksichtigen haben:
  • Analyse von Struktur und Funktion sämtlicher grenzüberschreitender Tätigkeiten, die nicht im Rahmen einer selbstständigen Tochtergesellschaft ausgeübt werden, anhand der neuen steuerlichen Entwicklungen. Auch Dienst- und Unterstützungsleistungen von Muttergesellschaft, verbundenen Unternehmen oder anderen Subunternehmern sollten in die Betrachtung einbezogen werden, da sich aus solchen bisher unbeachtlichen Aktivitäten Anknüpfungspunkte für eine Betriebsstättenqualifizierung bei sinkenden Anforderungen im Betriebsstättenverständnis ergeben können.
  • Ermittlung von Optimierungspotenzial bei der Gestaltung der Auslandsaktivitäten unter steuerlichen Gesichtspunkten, insbesondere Vermeidung oder gezielte Gestaltung bzw. Absicherung von Betriebsstätten. Eine besondere Herausforderung ist die Behandlung bislang „unentdeckter” Betriebsstätten, da hier nicht nur die steuerliche Behandlung in der Zukunft zu gestalten ist, sondern steuerliche Risiken der Vergangenheit bearbeitet und minimiert werden müssen.
  • Anpassung der internen Prozesse an die sich wandelnden steuerlichen Anforderungen. Hier geht es insbesondere um die Einführung einer eigenständigen (steuerlichen) Betriebsstättenbuchführung, die für die Ergebnisabgrenzung notwendigen Maßnahmen wie Funktions- und Risikoanalyse oder Zuordnung von Wirtschaftsgütern sowie die Erfüllung steuerlicher Dokumentationsanforderungen.
  • Und schließlich als „Kür”: Einführung strukturierter Informations- und Entscheidungsprozesse hinsichtlich Aufnahme, Ausgestaltung und Modifikation von Auslandsaktivitäten, um die nachträgliche Aufdeckung von Betriebsstätten vorausschauend zu vermeiden und ein steuerliches Controlling zu ermöglichen. Dies beinhaltet auch mögliche, noch nicht akute Konfliktpunkte in der grenzüberschreitenden Tätigkeit, deren Beurteilung derzeit noch im Fluss ist, zu identifizieren und die Rechtsentwicklung laufend zu beobachten, um zu einem geeigneten Zeitpunkt die steuerliche Behandlung anpassen zu können.
 
zuletzt aktualisiert am 19.11.2014

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