Liniengenehmigungen als ausschließliche Rechte: Nun doch aber anders als gedacht

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Im Zuge der PBefG-Novelle 2013 ist die neue Vorschrift des § 8a Abs. 8 zu ausschließlichen Rechten in das PBefG eingefügt worden. In § 8a Abs. 8 Satz 1 PBefG nimmt der Gesetzgeber direkt auf den Begriff des ausschließlichen Rechts in Art. 2 lit. f) Verordnung 1370/2007 Bezug.
​Weiterhin wird die Befugnis der zuständigen Behörde verankert, einem Betreiber ein solches ausschließliches Recht im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags zu gewähren. In den Sätzen 2 und 3 folgen klarstellende Erläuterungen wichtiger Grundsätze zur Gewährung ausschließlicher Rechte, die sich bereits aus der Verordnung 1370/2007 ergeben. Satz 4 beinhaltet schließlich eine Präzisierung des Begriffes der Ausschließlichkeit. Damit soll sichergestellt werden, dass Art und Umfang der Ausschließlichkeit auf das erforderliche Maß begrenzt bleiben. Keine Aussage findet sich in § 8a Abs. 8 PBefG zum Verhältnis zwischen einem ausschließlichen Recht und einer Linienverkehrsgenehmigung.
 
Wegen des Vorrangs des Europarechts konnte der nationale Gesetzgeber in § 8a Abs. 8 PBefG keinen vom europäischen Recht abweichenden Begriff des ausschließlichen Rechts festlegen. Nur ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne von Art. 3 Abs. 1, Art. 2 lit. i) Verordnung 1370/2007 ist geeignet, einem Betreiber ein ausschließliches Recht zu gewähren, eine allgemeine Vorschrift nach Art. 3 Abs. 2, Art. 2 lit. l) Verordnung 1370/2007 kommt dafür nicht in Betracht. Ob und inwieweit der Abschluss eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags durch die zuständige Behörde möglich und zulässig ist, wird nicht in § 8a Abs. 8 PBefG geregelt, sondern richtet sich nach § 8a Abs. 1 PBefG. Die Anwendung von § 8a Abs. 8 PBefG setzt somit voraus, dass vorab die Anforderungen des § 8a Abs. 1 PBefG erfüllt sind und der Anwendungsbereich der Verordnung 1370/2007 eröffnet ist.
  
Der eigenständige Regelungsgehalt von § 8a Abs. 8 Satz 1 PBefG liegt darin, für die zuständige Behörde eine nationale Ermächtigungsgrundlage zur Gewährung ausschließlicher Rechte zu bilden. Adressat der Ermächtigung ist die zuständige Behörde im Sinne der Verordnung 1370/2007, für die in § 8a Abs. 1 Satz 3 PBefG eine Definition existiert. Demnach wird die zuständige Behörde im Landesrecht festgelegt und soll grundsätzlich mit dem ÖPNV-Aufgabenträger nach § 8 Abs. 3 PBefG identisch sein. Keine explizite Aussage trifft § 8a Abs. 8 PBefG zum umstrittenen Verhältnis zwischen einem ausschließlichen Recht und einer Linienverkehrsgenehmigung. Der deutsche Gesetzgeber wollte in der PBefG-Novelle 2013 hierzu keine abschließende Klärung herbeiführen, obwohl diese Frage seit Jahren lebhaft umstritten ist. Eine Ausnahme bildet allein der Personenfernverkehr, für den nach § 13 Abs. 2 Satz 2 PBefG die objektiven Genehmigungsversagungsgründe des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 PBefG ausdrücklich nicht gelten. Eine Liniengenehmigung für Personenfernverkehre weist damit keinen ausschließlichen Charakter
auf.
 
Nach dem novellierten PBefG ist gemäß § 8a Abs. 8 Satz 1 i.V.m. § 8a Abs. 1 Satz 3 PBefG grundsätzlich der ÖPNV-Aufgabenträger für die die Gewährung ausschließlicher Rechte zuständig. Die Entscheidung über die Erteilung einer Liniengenehmigung trifft hingegen die nach § 11 PBefG zuständige Genehmigungsbehörde. Diese wird meist nicht mit dem ÖPNV-Aufgabenträger identisch sein. Für die beiden Rechtsakte gibt es damit regelmäßig unterschiedliche Behördenzuständigkeiten. Dies erweist sich als Konsequenz des auch im novellierten PBefG weiter existierenden Behördendualismus. Aus diesem Befund ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass ausschließliche Rechte und Liniengenehmigungen nicht dasselbe darstellen, sondern der Gesetzgeber sie als zwei unterschiedliche Rechtsinstitute ansieht.
  
Dafür spricht auch, dass nach § 2 Abs. 1 Satz 1 PBefG entgeltliche oder geschäftsmäßige Personenbeförderungsleistungen nicht ohne eine Genehmigung erbracht werden dürfen. Ihr Vorliegen stellt eine unabdingbare Voraussetzung dar. Hingegen steht die Gewährung eines ausschließlichen Rechts in dem Ermessen des ÖPNV-Aufgabenträgers als zuständiger Behörde. Das wird durch das Wort „kann” in § 8a Abs. 8 Satz 1 PBefG verdeutlicht. Das Erbringen von Linienverkehrsleistungen nach dem PBefG im ÖPNV erfordert damit nur eine Genehmigung, nicht auch ein ausschließliches Recht. Letzteres kann hinzutreten, ist aber nicht zwingend erforderlich.
 
Eine mögliche Lösung dieser Streitfrage könnte sein, hinsichtlich des Niveaus der Ausschließlichkeit, das dem Unternehmer durch ein ausschließliches Recht einerseits und eine Liniengenehmigung andererseits vermittelt wird, zu differenzieren. Es liegt nahe, dass ein ausschließliches Recht dem Betreiber einen stärkeren Konkurrenzschutz als eine Liniengenehmigung gibt. Den Ansatzpunkt hierfür bietet der unbestimmte Rechtsbegriff der Beeinträchtigung der öffentlichen Verkehrsinteressen in § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG. Dieser wurde bislang durch die Rechtsprechung so ausgelegt, dass der Inhaber einer Liniengenehmigung einen sehr weitreichenden Konkurrenzschutz genoss. Eine solche Interpretation war gerechtfertigt, als das Rechtsinstitut des ausschließlichen Rechts im PBefG noch nicht existierte. Nachdem es dieses nunmehr gibt, besteht kein Bedürfnis des Genehmigungsinhabers mehr nach einem so weitreichenden Konkurrenzschutz wie vor dem Inkrafttreten der PBefG-Novelle. Der Konkurrenzschutz, der dem Inhaber mittels einer Liniengenehmigung gewährt wird, sollte deshalb spürbar gelockert werden. Die weitere Entwicklung zu dieser umstrittenen Frage bleibt in jedem Fall abzuwarten.

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Jörg Niemann

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