Mindestlohn-Vorgaben bei Vergabe in NRW teilweise europarechtswidrig

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  • Stadt Dortmund hätte Bieter mit polnischem Nachunternehmer berücksichtigen müssen
  • Vergaberechtsexpertin Dr. Julia Lehmann: „Rechtsunsicherheit im Umgang mit den Landesvergabegesetzen zur Tariftreue nimmt weiter zu.”

 
Luxemburg/Köln, 18.09.2014: Vorgaben für einen Mindestlohn bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gelten nicht für Bewerber, die den Auftrag vollständig in einem EU-Mitgliedstaat durchführen lassen. Die Stadt Dortmund durfte daher die deutsche Bundesdruckerei bei einer Ausschreibung nicht unberücksichtigt lassen, weil deren polnischer Nachunternehmer iNCO das im NRW-Tariftreue- und Vergabegesetz (TVgG-NRW) vorgeschriebene Mindeststundenentgelt von 8,62 Euro nicht zusichern wollte. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in einem heute veröffentlichten Urteil (Az.: C-549/13) entschieden.
 
Die Luxemburger Richter stellten klar, dass die Vorgabe eines Mindestentgelts außerhalb von allgemein verbindlichen Tarifverträgen bzw. des Arbeitnehmerentsendegesetzes, das sich an deutschen Lebenshaltungskosten orientiert, für einen Auftrag, der nicht in Deutschland ausgeführt werden muss, nicht erforderlich ist. Im entschiedenen Fall ging es um die Digitalisierung von Akten und die Datenkonvertierung des Dortmunder Bauordnungsamtes. Ob die Regelung auch europarechtswidrig ist, wenn es um Aufträge geht, die nur in Deutschland ausgeführt werden können, brauchte der EuGH dagegen nicht abschließend entscheiden.
 
„Die Landesregierung in NRW muss die vergaberechtlichen Mindestentgeltregelungen nach diesem Urteil zumindest nachbessern. Die Rechtsunsicherheit durch die in den letzten Jahren eingeführten Tariftreue- und Vergabegesetzen nimmt weiter zu. Schon jetzt sind viele Vergabestellen und Unternehmen mit der Fülle an vergaberechtlichen Regelungen, die zum Teil bei einer generellen Ausschreibungspflicht ab 500 Euro anfangen, überfordert,” erläutert Vergaberechtsexpertin und Rechtsanwältin Dr. Julia Lehmann von Rödl & Partner, Köln.
 
Die Entscheidung des EuGH hat hohe Praxisrelevanz. Die Einführung von Regelungen in Landesvergabegesetzen zum Schutz gegen Sozialdumping war und ist Thema zahlreicher Gerichtsentscheidungen. Die Vergabekammer Arnsberg hatte die europäischen Richter nun um Entscheidung ersucht, ob die NRW-Vergaberegelung zur Einhaltung eines Mindestlohnes außerhalb von allgemein verbindlichen Tarifverträgen bzw. des Arbeitnehmerentsendegesetzes unzulässig ist, weil die Rechtsvorschrift eine solche Verpflichtung nur für die Vergabe öffentlicher Aufträge, nicht aber auch die Erteilung privater Aufträge vorsieht, und weil ein Unternehmen bei der Ausführung des Auftrages ausschließlich im Ausland tätig werden kann.

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Holger Schröder

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht

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