Unionsrahmen für Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation: Änderungen Ende 2022 und Bedeutung der Abgrenzung wirtschaftlich/nicht-wirtschaftlich für den öffentlichen Bereich

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​​​​​veröffentlicht am 15. April 2024


Der im Oktober 2022 geänderte Unionsrahmen für Forschung, Entwicklung und Innovation ist unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit nach Europäischem Beihilferecht eine wesentliche Leitlinie für Forschungseinrichtungen und -infrastrukturen sowie auch Universitäten. Daher werden zunächst kurz die für die Praxis bedeutsamen Ergänzungen des Unionsrahmens Ende 2022 dargestellt. Danach werden die für die Praxis sehr bedeutsamen Definitionen und Hinweise zur Abgrenzung einer Tätigkeit als nicht-wirtschaftlich oder wirtschaftlich sowie das sogenannte „Nebentätigkeitsprivileg“ in den Blick genommen. Diese Abgrenzungen sind wesentlich für die beihilferechtliche Beurteilung der Zulässigkeit einer Tätigkeit und die Erstellung einer Trennungsrechnung.​


Der Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation (C(2022) 7388 final) ist am 19.10.2022 in wesentlich erweiterter und geänderter Form in Kraft getreten und hat den alten Unionsrahmen von 2014 (2014/C 198/01) abgelöst. In dem Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation hat die europäische Kommission die Voraussetzungen und Ausnahmen definiert, nach denen sie ihr zur Genehmigung vorgelegte Beihilfen prüft. Ziel des Unionsrahmens ist es, Tätigkeiten in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Innovation zu fördern, die aufgrund von Marktversagen ohne öffentliche Unterstützung nicht durchgeführt würden. Die Änderungen zum Unionsrahmen sollten den ökologischen und digitalen Wandel in Europa fördern, indem öffentlich-private Investitionen in Innovationen und Forschung sowie Erprobungs- und Versuchsinfrastruktur erleichtert werden.
 
Nachfolgend werden zum einen diese Änderungen kurz dargestellt. Weiterhin wird die für die Praxis wichtige Darstellung im Unionsrahmen zu der Abgrenzung wirtschaftlich/nicht-wirtschaftlich bei Tätigkeiten von Forschungseinrichtungen und Forschungsinfrastrukturen näher betrachtet.

1. Änderungen des Unionsrahmens zum Oktober 2022

Zu den wesentlichen Änderungen gehören u.a. aktualisierte Begriffsbestimmungen für Forschungs- und Innovationstätigkeiten. So wurde insbesondere die Anwendbarkeit in Bezug auf digitale Technologien und Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Digitalisierung (z.B. Hochleistungsrechnen, Quantentechnologien, Blockchains, künstliche Intelligenz, Cybersicherheit, Big Data, Cloud Computing und Edge-Computing) präzisiert.
 
Neu eingeführt oder ergänzt wurde u.a.:
 
  • Die industrielle Forschung umfasst auch digitale Branchen, Technologien und Wirtschaftszweige.
  • Unter die Innovationsberatungsdienste fallen auch Beratungen, Unterstützungen und Schulungen hinsichtlich der Einführung oder Nutzung innovativer und digitaler Technologien und Lösungen.
  • Als innovationsunterstützende Dienste gelten u.a. auch die Bereitstellung von Büroflächen, Datenbanken, Cloud- und Datenspeicherdiensten, Bibliotheken, Marktforschung, Laboratorien, Gütezeichen, Erprobungen, Versuchen und Zertifizierung.
  • Organisationsinnovationen werden um die Nutzung neuer oder innovativer digitaler Technologien erweitert.

Erweiterte Förderungsbereiche, höhere Beihilfeintensitäten und vereinfachte Verfahren

Zudem enthält der Unionsrahmen eine Erweiterung der beihilferechtlichen Fallkategorien und ermöglicht nun auch die öffentliche Unterstützung für Erprobungs- und Versuchsinfrastrukturen, die für die Entwicklung, Erprobung und Hochskalierung von Technologien erforderlich sind.
 
Die überarbeiteten Regeln beinhalten außerdem höhere Beihilfeintensitäten für bestimmte Projekte. Das bedeutet, dass Projekte nun potenziell einen größeren Anteil ihrer Kosten durch staatliche Beihilfen gedeckt bekommen können. Im Zusammenhang mit den Kosten wurde z.B. auch ein vereinfachter Mechanismus zur Bestimmung der indirekten Kosten von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben eingeführt, die nach den Beihilfevorschriften förderfähig sind.
 
Die Prozesse für die Anmeldung und Genehmigung von Beihilfen wurden vereinfacht, um schnelleres und effizienteres Handeln zu ermöglichen.
 

2. Erläuterungen zur Abgrenzung der Bereiche wirtschaftlich/nicht-wirtschaftlich

Weiterhin enthält der Unionsrahmen konkretisierende Ausführungen zu der Frage, in welchen Fällen eine beihilfefreie nichtwirtschaftliche Tätigkeit und in welchen Fällen eine (marktkonforme) wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, bei welcher bereits der Tatbestand einer unzulässigen Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV zu verneinen ist. Diese bereits in den vorherigen Fassungen des Unionsrahmens enthaltenen Definitionen und Erläuterungen bilden eine wesentliche Grundlage für die rechtliche Qualifizierung einer Tätigkeit als wirtschaftlich oder nicht-wirtschaftlich im Einzelfall. Insoweit ist der Unionsrahmen auch eine Grundlage und Leitlinie der beihilferechtlichen Trennungsrechnung im Bereich Forschung und Lehre und Hilfestellung bei der Zuordnung der Tätigkeiten zu einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit, z.B. Lehre, oder einer wirtschaftlichen Tätigkeit, z.B. Auftragsforschung.
 
Die Kommission betrachtet nach dem Unionsrahmen, insbesondere die folgenden Tätigkeiten im Allgemeinen als nicht-wirtschaftliche Tätigkeiten (Rn. 20 Unionsrahmen):
 
a. ​Die Ausbildung von mehr oder besser qualifizierten Humanressourcen, insbesondere gilt die innerhalb des nationalen Bildungswesens organisierte öffentliche Bildung, die überwiegend oder vollständig vom Staat finanziert und überwacht wird, als nicht-wirtschaftliche Tätigkeit;

b. ​​unabhängige Forschung und Entwicklung zur Erweiterung des Wissens und des Verständnisses, auch im Verbund, wenn die Forschungseinrichtung bzw. die Forschungsinfrastruktur eine wirksame Zusammenarbeit eingeht;

c.​​ weite Verbreitung der Forschungsergebnisse auf nichtausschließlicher und nichtdiskriminierender Basis, zum Beispiel durch Lehre, frei zugängliche Datenbanken, allgemein zugängliche Veröffentlichungen oder offene Software.

d.​​ Tätigkeiten des Wissenstransfers, soweit sie entweder durch die Forschungseinrichtung oder Forschungsinfrastruktur (einschließlich ihrer Abteilungen oder Untergliederungen) oder gemeinsam mit anderen Forschungseinrichtungen oder Forschungsinfrastrukturen oder in deren Auftrag durchgeführt werden, sofern die Gewinne aus diesen Tätigkeiten in die primären Ziele reinvestiert werden.

In Abgrenzung dazu gilt bei der Nutzung von Forschungseinrichtungen oder Forschungsinfrastrukturen, die zur Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten genutzt werden (z. B. Erbringung von Dienstleistungen für Unternehmen oder Auftragsforschung), dass die Kommission diese Tätigkeiten grundsätzlich als staatliche Beihilfe ansieht. Hierunter fällt insbesondere und ausdrücklich die Vermietung von Ausrüstung oder Laboratorien an Unternehmen (vgl. etwa Rn 22 Unionsrahmen).
 
Nach dem Unionsrahmen gilt darüber hinaus ausdrücklich das von der Europäischen Kommission bereits zuvor entwickelte sogenannte „Nebentätigkeitsprivileg” für sämtliche wirtschaftlichen Tätigkeiten. Soweit eine Einrichtung/Infrastruktur fast ausschließlich für die nicht wirtschaftliche Tätigkeit genutzt wird, ist sie insgesamt als nicht-wirtschaftlich einzuordnen (vgl. Rn. 21 Unionsrahmen). Voraussetzung hierfür ist, dass die wirtschaftliche Nutzung eine reine Nebentätigkeit der nicht-wirtschaftlichen Haupttätigkeit darstellt, die mit dem Betrieb der Forschungseinrichtung oder Forschungsinfrastruktur unmittelbar verbunden und dafür erforderlich ist oder die in untrennbarem Zusammenhang mit der nicht-wirtschaftlichen Haupttätigkeit steht und ihr Umfang begrenzt ist. Der Anteil der wirtschaftlichen Nutzung darf zudem nur begrenzten Umfang haben, die Kommission spricht insoweit von einem maximalen Anteil von 20 % an der Gesamtkapazität der Einrichtung.
 
Die vorherige Einordnung der einzelnen Tätigkeit als wirtschaftlich oder nicht-wirtschaftlich ist somit zunächst Voraussetzung für die Frage, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt und somit europäisches Beihilferecht grundsätzlich zur Anwendung kommt, da nur für wirtschaftliche Tätigkeiten ein „Unternehmen” i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt. Des Weiteren ist die Einordnung aber auch Grundlage der Trennungsrechnung sowie der Dokumentation der Frage, ob das Nebentätigkeitsprivileg in Anspruch genommen werden kann.

3. Fazit

Die Anpassungen des Unionsrahmens waren im Hinblick auf den ökologischen und digitalen Wandel, insbesondere auf den europäischen Grünen Deal sowie die Digital- und Industriestrategie der Kommission notwendig. Durch die Verfahrensvereinfachungen und die Erhöhung der Beihilfeintensitäten ist eine bessere Umsetzung von Projekten möglich. Durch die Konkretisierung der Begriffsbestimmungen für Forschungs- und Innovationstätigkeiten besteht außerdem mehr Rechtssicherheit für die Mitgliedsstaaten und Interessensträger bei der Umsetzung.
 
Die Darstellung der Abgrenzung einer wirtschaftlichen Tätigkeit von einer nicht-wirtschaftlichen Tätigkeit im Unionsrahmen für Forschung, Entwicklung und Innovation sollte im Rahmen jeder beihilferechtlichen Betrachtung sowie bei Erstellung der Trennungsrechnung beachtet werden. Dabei bietet das Nebentätigkeitsprivileg („20%-Klausel”) für Einrichtungen, die das Beihilferecht beachten müssen – insbesondere auch Hochschulen/Universitäten und Großforschungseinrichtungen - eine interessante Möglichkeit insgesamt vom Beihilferecht ausgenommen zu werden.

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AUTOR

Jan-Volkert Schmitz​

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